Urteil des OVG Berlin-Brandenburg: Apo­theker darf Ver­kauf der „Pille danach“ nicht ver­wei­gern. Konsequenzen?

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat am 26.06.2024 ein Urteil (Urt. v. 26. Juni 2024,  Az. 90 H 1/20) gefällt, das nicht nur in berufsrechtlicher Hinsicht eine für Apotheker (m/w/d) bedeutsame Fallkonstellation zum Gegenstand hatte.

In dem Lebenssachverhalt, über den das OVG Berlin-Brandenburg zu  entscheiden hatte, hatte sich ein Apotheker geweigert , einer Kundin die „Pille danach“ auszugeben. Zu Unrecht, wie das OVG Berlin-Brandenburg, als Berufsobergericht für Heilberufe, feststellte.

Berufsrechtliche Folgen

Das OVG führt in seinem Urteil aus, mit seiner Apotheke nehme der Apotheker am gesetzlichen Auftrag zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln teil. Den sich daraus ergebenden Pflichten müsse er genügen (Urt. v. 26. Juni 2024,  Az. 90 H 1/20). Die „Pille danach“ sei schließlich ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, sodass der Apotheker die Abgabe der Pille nicht aus eigenen Gewissensgründen verweigern dürfe. Könne er dies mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, so müsse er einen anderen Beruf für sich wählen.

Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche

So weit zu den berufsrechtlichen Feststellungen des Urteils. Von ebenso erheblicher Bedeutung sind meines Erachtens aber auch die zivilrechtlichen Auswirkungen, mit denen sich an das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg anknüpfen lässt. Denn zivilrechtlich können gegen den Apotheker (m/w/d), der etwa die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels verweigert, auch Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, sollte es ursächlich durch die verweigerte Abgabe zu einem Schaden bei dem Kunden (m/w/d) kommen. 

Dies deshalb, da der Apotheker (m/w/d) bei Verweigerung der Ausgabe eines verschreibungspflichtigen Medikamentes gegen den sich aus §17 Abs. 4 ApBetrO ergebenden Kontrahierungszwang verstößt, der – wie unlängst auch das Landgericht Würzburg in einem von mir noch als angestellter Rechtsanwalt geführten Rechtsstreit feststellte – ein Schutzgesetz i.S.d. §823 Abs. 2 BGB darstellt. Dabei folgte das LG Würzburg (LG Würzburg, Urt. v. 16.11.2023 –  12 O 622/23) meiner Rechtsauffassung, dass §17 Abs. 4 ApBetrO i.S.d. Art. 2 EGBGB zumindest auch dem Schutz des Einzelnen dient, der gerade ein medizinisch notwendiges Arzneimittel benötigt, um das damit verfolgte Therapieziel zu erreichen. Wenn Apotheken das Monopol für eben apothekenpflichtige Medikamente genießen, dann folgt daraus im Umkehrschluss, wie eben auch §17 Abs. 4 ApBetrO vorsieht, die Pflicht, den Kunden (m/w/d), der über eine gültige Arzneimittelverordnung verfügt, auch mit dem Medikament zu versorgen, welches er benötigt.

Wie das OVG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil klarstellt, muss das Gewissen des Apothekers hinter dem Versorgungsauftrag der Apotheke zurückstehen. Eine Rechtfertigung für die Verweigerung der Ausgabe des Medikamentes kann also insoweit nicht erfolgreich geltend gemacht werden. Auch in dem von mir geführten Rechtsstreit folgte das LG Würzburg meiner rechtlichen Würdigung, die Apothekerin könne die Unterlassene Herausgabe des Medikamentes nicht dadurch rechtfertigen, die Klägerin habe sich ihr gegenüber verbal ungebührend verhalten.

Dementsprechend wurde der von mir vertretenen Klägerin auch ein angemessenes Schmerzensgeld gem. §253 Abs. 2 BGB zugesprochen.

Fazit

Das Urteil des OVG zeigt deutlich, dass Apotheker (m/w/d) sich ihrer berufsrechtlichen Verpflichtungen bewusst sein und diese ernst nehmen müssen. Die Weigerung, ein apothekenpflichtiges Arzneimittel abzugeben, kann nicht nur berufsrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Insbesondere stellt der Kontrahierungszwang gemäß § 17 Abs. 4 ApBetrO ein Schutzgesetz dar, dessen Verletzung dem Kunden die Möglichkeit gibt, gemäß § 823 Abs. 2 BGB Schadensersatz zu fordern. Apotheker (m/w/d) sollten daher stets sorgfältig abwägen und im Einzelfall entscheiden, ob ausnahmsweise Gründe vorliegen, die der grundsätzlichen Abgabepflicht apothekenpflichtiger Arzneimittel entgegenstehen. Persönliche Befindlichkeiten zählen jedenfalls nicht zu solchen Umständen. Andernfalls können nicht nur berufsrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Konsequenzen drohen.

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